Der Oder-Havel-Kanal

Oder-Havel-Kanal

Mit fortschreitender Industrialisierung und dem Aufkommen der Dampfschiffahrt war der gewundene Finowkanal den verkehrstechnischen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Im Jahre 1906 wurde deswegen mit dem Bau des Großschifffahrtsweges Berlin-Stettin begonnen, der 1914 unter dem Namen Hohenzollernkanal (heute Oder-Havel-Kanal) dem Verkehr übergeben wurde und mit einer Auslegung für Schiffe bis zu 65 m Länge und 8 m Breite wesentlich leistungsfähiger war, als der Alte Finow-Kanal (40,2 m Länge und 4,6 m Breite). Im Zuge dieses Neubaus entstanden hier mehrere Ingenieur-Bauwerke, die damals zu den internationalen Spitzenleistungen zählten und bis heute größtenteils erhalten sind :

- Bahnunterführung,
- Ragöser Damm,
- Schleusentreppe,
- Schiffshebewerk.


Bahnunterführung

Die unter Denkmalschutz stehende Kanalbrücke wurde im Zuge des geplanten Ausbaus der Oder-Havel-Wasserstraße 2006 abgerissen und durch einen nach Norden verschobenen neuen Eisenbahntunnel ersetzt. Die Kanalüberführung - nördlich von Eberswalde (Richtung Britz) - wurde von 1914-1916 für die Eisenbahnstrecke Berlin-Stettin errichtet. Der Brückenkanal war viergleisig mit 2x Öffnungen (7,90m Breite und 4,90m Höhe) für je 2 Gleise ausgebaut. Die Durchfahrten waren 33,5 m lang und durch eine 1,20 m starken Mittelpfeiler getrennt. Der Trogboden, der die darauf ruhende Wasserlast von 2,70 m zutragen hatte, bestand aus 70 cm dicken, gestreckten und genieteten Trägern mit eingestampften Beton. 4,5 m hohe und 3 m starke Leinpfadmauern (Eisenbeton) hatten den seitlichen Wasserdruck auszuhalten. Die anschliessenden Flügelmauern drangen 19 m in die seitliche Böschung ein. Die Abdichtung erfolgte durch Bleiplatten, Bohlenbelag mit Eisenbeschlag und entsprechende Verstärkung durch Beton und Eisen.



Oder-Havel-Kanal Bahnunterführung (1930)

Oder-Havel-Kanal Bahnunterführung (September 2005)



Oder-Havel-Kanal, Standort der ehemaligen Bahnunterführung (2007)

Oder-Havel-Kanal, die neue Bahnunterführung (2007)




Ragöser Damm

Der Ragöser Damm galt lange als höchster Kanaldamm der Welt. Während des Baues des Oder-Havel-Kanals war es erforderlich, den Taleinschnitt der Ragöse (Ragöser Fließ) mit einem Erddamm zu überqueren. Dazu wurde ein 29 m hoher und ca 1000 m langer Kanaldamm aufgeschüttet. Die von Chorin kommende kleine Ragöse fliesst durch einen Beton-Tunnel unter dem Kanal hindurch - sie mündet hinter der Ragöser Schleuse in den Finow-Kanal. Eine besondere Herausforderung war die Uferbefestigung.



Oder-Havel-Kanal über dem Ragöser Fliess (1928)

Durchlass - Ragöser Fliess (Mai 2004)




Schleusentreppe

Eine weitere Ingenieur-Spitzenleistung ist die von 1911-1913 errichtete Treppenschleuse, die aus vier 67 Meter langen und 10 Meter breiten hintereinander geschalteten Kammern bestand. Jede Schleuse überwand eine Hubhöhe von jeweils 9 Metern. Die gesamte 1.400 m lange Anlage überwand so zwischen Scheitel- und Oderhaltung eine Höhendifferenz von 36 Metern. Erstmals in der Welt wurde an einer Stelle solch ein grosser Höhenunterschied zu Schiffahrtszwecken zusammengefasst. Zwischen den Schleusenkammern befanden sich 260 m lange Zwischenhaltungen, so dass ein gleichzeitiges Durchfahren in beide Richtungen möglich war. Für die zu schleppenden Kähnekamen elektrische Treidellokomotiven zum Einsatzt. Die Durchschleusung dauerte ungefähr 2 Stunden. Mit Hilfe von jeweils 3 Sparbecken zu beiden Seiten der Schleusenkammern wurde der bei jedem Schleusenvorgang im Oberwasser entstehende Wasserverlust auf 40 % verringert. Trotzdem ist die Schleusentreppe stets ein wasser- und verkehrstechnisches Sorgenkind gewesen.


Schleusentreppe, Luftbildaufnahme (1932)

Schleuse-3 (1931)



Linkes Bild : Baustelle Schiffshebewerk, rechts daneben die Treppenschleuse,erbaut 1911-1913 und 1972 entgültig stillgelegt. Die Schleusentreppe war bis zur Eröffnung des Schiffshebewerks am 21. März 1934 im Betrieb und wurde anschliessend für eventuelle Ausfälle des Hebewerkes betriebsfähig gehalten. In den sechziger Jahren wurden größere Reparaturen erforderlich. Zwei Versuchen, die Treppenschleuse anschliessend wieder in Betrieb zu nehmen, scheiterten mit Havarien. 1972 wurde die Schleusentreppe schliesslich, nach umfangreichen Untersuchungen, stillgelegt.



Schleusenbecken Schleuse-1 (Februar 2005)

3 x Sparbecken (beidseitig), 40% Wassereinsparung (2005)



Die Treppenschleuse (1972 endgültig stillgelegt) mit ihren gewaltigen 13,6 m hohen Betonwänden bietet noch heute einen imposanten Anblick. Allerdings erlaubt der wuchernde Wald nur im Winter einigermaßen gute Einblicke. Auch die Gleise und Schwellen der elektrischen Treidellokomotive sind stellenweise noch vorhanden. Der inzwischen eingewaldete Weg ist mit dem Rad dennoch ganz gut passierbar.


Schiffshebewerk Niederfinow

Den abschliessende Höhepunkt beim Bau des Großschiffahrtsweges Berlin-Stettin stellte die Errichtung des Schiffshebewerkes in Niederfinow dar (Details), das nach 7-jähriger Bauzeit dem Verkehr übergeben wurde. Bereits 1905 wurde die Konzeption einer entsprechenden Anlage veranlasst, aber erst 1927 - nach langer Planung und umfangreichen Versuchen - begann der Bau. Der Baugrubenaushub für das Hebewerk erfolgte schon 1926. 1929 waren dann der untere und obere Vorhafen sowie die Gründungen des Hebewerkes fertiggestellt. 1930 standen die Stahlpfeiler, so dass 1931/32 das Hebewerk aufgestellt werden konnte. Am 21.März 1934 wurde schliesslich das Schiffshebewerk feierlich in Betrieb genommen. Es war 40 Jahre lang das größte Schiffshebewerk der Welt.



Schiffshebewerk - Unterhaupt (Juli 2004)

Schiffshebewerk - Oberhaupt (April 2005)



Die elektrische Treidelbahn auf dem rechten Bild war bis vor Inbetriebnahme des Schiffhebewerks an der Schleusentreppe im Einsatz.